Veranstaltungen / Lehre

"Irgendwo muss das Zeug ja hin!" Zwischen- und Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen in Deutschland

Dozent:innen: Dr. Klaus Eberhardt; Dr. Christopher Geppert; Univ.-Prof. Dr. Tobias Reich; Dr. Christiane Schürkmann; Dr. Christian Knöppler
Kurzname: radioakt. Abfälle
Kurs-Nr.: 00.Q+.050
Kurstyp: Kurs

Voraussetzungen / Organisatorisches

Teilnahmevoraussetzungen: Aus sicherheitsrechtlichen Gründen müssen die Daten der TRIGA-Reaktorbesucher:innen an die Atomrechtliche Aufsichtsbehörde zwecks Kurzzeitüberprüfung weitergeleitet werden. Schwangere und stillende Frauen dürfen die TRIGA-Reaktorhalle nicht betreten.

Anforderungen: Lektüre der rechtzeitig zur Verfügung gestellten Literatur, Bereitschaft für Impulsreferate von 5-7 min. Länge.

Inhalt

Nach der Kernreaktorkatastrophe in Fukushima/Japan 2011 beschloss die Bundesregierung für 2022 den endgültigen und vollständigen Ausstieg Deutschlands aus der Kernkraft. Stufenweise geht seither ein deutsches Kernkraftwerk nach dem anderen vom Netz, zuletzt 2021 die Kernkraftwerke Grohnde, Gundremmingen C und Brokdorf. Die drei jüngsten Anlagen Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 werden spätestens Ende 2022 abgeschaltet. Bis dahin haben die Atomkonzerne rund 15.000 Tonnen hochradioaktiven Müll angehäuft, die in Deutschland zwischen- und endgelagert werden müssen. Denn - so der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann: „Irgendwo muss das Zeug ja hin." Im Mai 2017 trat daher das "Gesetz zur Fortentwicklung des Standortauswahlgesetzes" in Kraft mit dem Ziel, eine offene, wissenschaftsbasierte und transparente Suche eines Endlagerstandortes nach dem Prinzip der "weißen Landkarte" vorzunehmen. Das bedeutet, keine Region Deutschlands wird von vornherein ausgeschlossen. Geplant ist, dieses Verfahren bis zum Jahr 2031 abzuschließen. Ab 2050 soll der Atommüll am endgültigen Standort eingelagert werden.

In dem zweiteiligen Q+Workshop werden wir uns zunächst aus geologischer und radiochemischer Perspektive mit den Wirtsgesteinen beschäftigen, die eine Endlagerung in Deutschland zulassen.

Vertreter:innen der Bundesgesellschaft für Endlagerung informieren und diskutieren mit uns die gesetzlichen Grundlagen und das administrative Vorgehen bundesdeutscher Behörden bei der Standortsuche und -Entscheidung. Am zweiten Tag des Workshops besuchen wir den TRIGA Forschungsreaktor auf dem Campus der JGU Mainz, bei dessen Rückbau später ebenfalls eine allerdings nur geringe Menge bestrahlter Brennelemente zur Endlagerung anfällt. Schließlich diskutieren wir gemeinsam, wie die jahrzehntelange Debatte um Atomstrom und um die Zwischen- und Endlagerung des radioaktiven Abfalls die bundesdeutsche Gesellschaft gespalten, verändert und geprägt hat.

Ablauf:

Tag 1: Donnerstag, 05. Mai 2022:

10. 15 – 13.30 h Tobias Reich: Geologische bzw. radiochemische Rahmen und Bedingungen für die Endlagerung in D

13.30 – 14.30 h Pause

14.30 – 17.30 h NN, Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE): Gesetzlicher Rahmen und administratives Vorgehen bei der Standortsuche und Endlagerung

Tag 2: Freitag, 06. Mai 2022:

10.15 h – 13.30 h Klaus Eberhardt und Christopher Geppert: Radioaktiver Abfall am Beispiel des Forschungsreaktors TRIGA, Führung durch den TRIGA (in kleinen Gruppen)

13.30 h – 14.30 h Pause

14.30 h – 17.30 h Christiane Schürkmann: Gesellschaftliche Debatten um Zwischen- und Endlagerung, Atommülltransporte

Lernziele: Einführung in die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Kernenergie und atomaren Endlagerproblematik; Überblick über die gesellschaftlichen Debatten um Zwischen- und Endlagerung und Atommülltransporte in Deutschland.

Zusätzliche Informationen

Klaus Eberhardt studierte Chemie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und promovierte dort 1992 am Institut für Kernchemie bei Prof. Dr. Günter Herrmann. Seit 1993 ist er Mitglied der Betriebsleitung des Forschungsreaktors TRIGA Mainz und dort für die Organisation und Durchführung des experimentellen Programms zuständig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Chemie der schwersten Elemente, der Herstellung von dünnen Schichten der Lanthaniden- und Aktinidenelemente zum Studium von Schwerionenreaktionen, für kernspektroskopische Untersuchungen und in der Metrologie sowie in der Anwendung der Neutronenaktivierungsanalyse zur Spurenelementanalytik.

Christopher Geppert studierte Physik an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz und promovierte dort 2005 am Institut für Physik. Danach war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Helmholtz-Zentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt, am Kernforschungszentrum CERN in Genf und an der TU Darmstadt tätig. Sein Forschungsschwerpunkt lag dabei auf der Laserspektroskopie exotischer kurzlebiger radioaktiver oder hochgeladener relativistischer Kerne. Seit 2014 ist er an die JGU als Betriebsleiter des Forschungsreaktors TRIGA Mainz zurückgekehrt und leitet die 2020 gegründete gleichnamige Zentrale Einrichtung der JGU.

Tobias Reich studierte Physikalische und Theoretische Chemie an der Universität Leipzig und promovierte sich 1988 am Kurnakov-Institut für Allgemeine und Anorganische Chemie der Akademie der Wissenschaften der UdSSR zum Dr. rer. nat. Berufliche Stationen führten ihn über die Universität Leipzig an das Kurnakov-Institut für Allgemeine und Anorganische Chemie in Moskau, an das Lawrence Berkeley Laboratory, das Institut für Radiochemie des Forschungszentrums Dresden-Rossendorf sowie an die ESRF in Grenoble, Frankreich. 2002 wurde er als Universitätsprofessor für Kernchemie ans Institut für Kernchemie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz berufen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet der angewandten Radiochemie und Radioanalytik. Die anwendungsbezogene Grundlagenforschung seiner Arbeitsgruppe zur Entsorgung radioaktiver Abfälle in Deutschland steht im direkten Zusammenhang mit dem Thema des Workshops. Er wurde mit dem Fritz-Straßmann-Preis der GDCh-Fachgruppe Nuklearchemie und dem N.N. Semyonov-Preis der Prokhorov-Akademie für Ingenieurwissenschaften, Moskau, ausgezeichnet.

Christiane Schürkmann hat Sozialwissenschaften und Kunst an der Universität Siegen studiert, ihre Staatsexamenarbeit wurde mit dem Studienpreis der Sozialwissenschaften ausgezeichnet. 2015 promovierte sie sich zum Dr. phil. im Fach Soziologie und erhielt für ihre Doktorarbeit den Preis der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 2009 bis 2010 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fach für Sozialwissenschaften, Philosophie, Theologie und Geschichte an der Universität Siegen und ist seit 2010 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der JGU Mainz, u.a. mit den Forschungsschwerpunkten Umweltsoziologie, Soziologie der Materialität, posthumane Theorien. Ihr Habilitationsprojekt befasst sich mit der Transformation von Natur/Kulturverhältnissen mit einem empirischen Fokus auf den Fall der Endlagerung radioaktiver Abfallstoffe in Deutschland.

Ein:e Vertreter:in der Bundesgesellschaft für Endlagerung BGE. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) mit Sitz in Peine ist eine im Juli 2016 gegründete bundeseigene Gesellschaft. Die Gründung erfolgte auf Grundlage des 2016 verabschiedeten Gesetzes zur Neuordnung der Organisationsstruktur im Bereich der Endlagerung. Als designierter Vorhabenträger und Betreiber von Endlagern für radioaktive Abfälle gehört sie als öffentliches Unternehmen zum Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums. Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde ist das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE). Ihre gesetzlichen Aufgaben sind die Suche nach einem Endlagerstandort in tiefer geologischer Formation für hochradioaktive Abfälle sowie der Endlagerbetrieb. Die Asse-GmbH, die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH sowie Teile des Bundesamtes für Strahlenschutz sind in ihr aufgegangen.

Der Forschungsreaktor Mainz (FRMZ) ist ein Kernreaktor, der seit 1965 am ehemaligen Institut für Kernchemie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Neutronenquelle zu Forschungszwecken betrieben wird. Er ist ein Schwimmbadreaktor vom Typ TRIGA Mark II und verwendet zu 20 % angereichertes Uran als Kernbrennstoff, wobei etwa 70 Brennelemente im Einsatz sind. Er besitzt eine dauerhafte Nennleistung von 100 kW, die Pulsleistung beträgt für 0,03 Sekunden 250 MW. Am TRIGA Mainz werden Forschungsprogramme sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der angewandten Forschung in den Bereichen Kernchemie und Kernphysik durchgeführt.

Termine

Datum (Wochentag) Zeit Ort
05.05.2022 (Donnerstag) 10:00 - 18:00 00 121 (K5) Übungsraum
9139 - Am Kisselberg
06.05.2022 (Freitag) 10:00 - 18:00 00 121 (K5) Übungsraum
9139 - Am Kisselberg